Auf einer Moräne in einem Hochgebirgstal steht eine aufblasbare, 10 Meter lange und 1,5 Meter hohe blaue Wand, umrahmt von steilen Bergspitzen und einigen Schneefeldern. Eine kleine Videodrohne fliegt über die Wand, der Moräne entlang, das Tal hoch.
Sie fliegt langsam, sie tut sich schwer, denn die Luft in dieser Höhe ist dünn. Zu hören ist menschlicher Atem, auch dieser ist angestrengt und schwer. Brenva heißt die Skulptur und das dazugehörige Video des Fotographen und Videokünstlers Stefano Cerio, der seit seiner Kindheit das Aostatal kennt.
Er hat die blaue Plastikwand mit dem surrenden Luftkompressor dort aufgestellt, wo in seiner Kindheit – als er das erste Mal vor dem Brenva-Gletscher am Mont Blanc stand – der Gletscher endete. Fünfzig Jahre später steht dort die blaue Wand und für etwa zehn Minuten ist im Video die Aufnahme der Drohne zu sehen, wie sie über die von Pionierpflanzen leicht bewachsenen und später kargen Schutthalden fliegt, bis sie endlich zur heutigen Gletscherzunge kommt. Dann endet das Video. Mit Brenva präsentiert Cerio die Leere, welche das „ewig“ genannte Eis hinterlässt, während es vor unseren Augen langsam, aber anscheinend unaufhaltsam dahinschwindet.
Die Vereinten Nationen haben 2025 das Internationale Jahr zur Erhaltung der Gletscher ausgerufen. Dies hat Johannes Schmidl dazu veranlasst, auf die Kulturelemente-Redaktion zuzugehen, mit dem Vorschlag, sich mit den Gletschern als Vermittler zwischen der geologischen Tiefenzeit, die wir sinnlich als Stillstand erfassen, und der Menschenzeit, die sich an Änderungen in Rhythmen innerhalb der eigenen Lebensspanne orientiert, zu beschäftigen. Es geht in dieser Ausgabe der Kulturelemente um das Sichtbarmachen des Klimawandels, um das Gehen, Weitergehen und Vergehen, aber auch um den Versuch, all dies durch Technik, Plastikplanen, Glauben und Aufklärung aufzuhalten.
Hannes Egger
