Sitten, Bräuche und Rituale sind die Pfeiler der Tradition. Wir finden sie in allen Lebensbereichen. Sitten sind ungeschriebene Gesetze, Bräuche dagegen Inszenierungen der Sitten; für gewöhnlich voller Metaphern und Allegorien. Rituale besetzen Leerstellen, sie sind Stellvertreter. So wird etwa Übersinnliches, aber auch Überkommenes gern durch Rituale dargestellt, oder auch ersetzt.
Krieg zum Beispiel findet im postheroischen Zeitalter seinen Ausdruck und Ersatz im Mannschaftssport. Dessen Sprachgebrauch ist daher voll von Kriegsmetaphern: Kämpferisch und körperbetont geht es in das Getümmel, in die Schlacht, Meter für Meter wird bis zur letzten Sekunde gekämpft, flankiert, gedeckt, abgewehrt, gestürmt, aus dem Hinterhalt geschossen, ein Pyrrhussieg errungen.
Sind Bräuche also kollektive Gewohnheiten?
Ungeschriebene Gepflogenheiten? Ausdruck gelebter Tradition? „Wo es keine lebendige Tradition gibt – befindet Nietzsche – gibt es auch keine Sittlichkeit, weil es dann nichts gibt, nach dem man sich richten könnte.” Der Gehorsam gegenüber den Sitten hat bei Nietzsche allerdings einen Sinn und Zweck an sich, denn „jede Sitte ist besser als keine Sitte”.
Zugleich sind Sitten und Traditionen oft irrational und willkürlich, „phantastische Causalitäten“. Doch wir alle wachen darüber mit Argusaugen. Die gesellschaftliche Ächtung beginnt bereits bei kleinsten Abweichungen. Der Rasen wird am Samstagvormittag gemäht, Knödel werden nicht mit dem Messer geteilt usw. Zuweilen wurde und wird die Einhaltung der Sitten unter Androhung der entsetzlichsten Strafen durchgesetzt.
Dieses Heft ist auf Anregung und in Zusammenarbeit mit dem Kulturfestival LanaLive entstanden, das vom 24. Mai bis 02. Juni 2024, sowie einem Workshop im Juli, unter dem Titel ReThinking.Traditions nach der Bedeutung und Entwicklung von Traditionen in einer Zeit und Gesellschaft des ständigen Wandels gefragt hat.
Hannes Egger / Haimo Perkmann
