#115: Völkerrecht – Verfasstheit ohne Gott

Die vorliegende Ausgabe der Kulturelemente legt ihren Fokus auf unseren medialen Umgang mit Kriegsereignissen und auf das kollektive Gedächtnis des Ersten Weltkriegs. Wie wurde dieser Krieg von den Zeitgenossen wahrgenommen, wie änderte sich deren Wahrnehmung im Laufe des Konflikts und wie wurde sie medial zu steuern versucht? Noch heute, 100 Jahre später, sind die Folgen des Krieges mit seinen 17 Millionen Toten und zahlreichen Grenzverschiebungen in ganz Europa sichtbar.
Adrian Notz, Direktor des Cabaret Voltaire, erörtert das komplexe Verhältnis der Dadaisten, allen voran Hugo Ball, zum Ersten Weltkrieg, indem er aufzeigt, wie dessen Pazifismus nicht von vornherein gegeben ist, sondern sukzessive mit dem Grauen des Krieges wächst, um sich schließlich als Protest „nicht gegen den Krieg, sondern gegen die Zeit“ zu manifestieren – so auch in der Antwort des Dadaisten auf die Visionen des Futuristen Marinetti zum „Krieg der Maschinen“.
Das Ende des Weltkriegs förderte die antagonistischen Weltanschauungen des Nationalismus und Internationalimus zutage. Einerseits wurde nach dem Krieg der Völkerbund gegründet. Andererseits erhielten gerade die totalitären Gesinnungen in der Zwischenkriegszeit rasch Zulauf und unternahmen mit beachtlichem Erfolg eine mediale Steuerung der Wahrnehmung des Kriegsgeschehens in der Bevölkerung, allen voran unter den traumatisierten und enttäuschten Heimkehrern.
Im Zuge einer Reflexion über den Völkerbund unternimmt Südtirol-Experte Georg Grote daher eine in die Zukunft gerichtete kritische Bestandsaufnahme der Südtirolautonomie als mögliches Modell für globalen Minderheitenschutz.
Filmhistoriker Paolo Caneppele untersucht dagegen den aufflammenden Nationalismus und dessen politisch-ästhetische Manipulationsbestrebungen nach dem ersten Weltkrieg. Er dechiffriert anhand eines Propagandafilms der 1920er Jahre die Entstehung des Kultes vom Unbekannten Soldaten. Daran anknüpfend beschreibt Hermann Barbieri seine persönlichen Kindheitserinnerungen an den Soldatenfriedhof in St. Jakob.
Ins Jetzt katapultiert uns Hannes Egger auf seiner Reise zum „Winter Festival“ in Sarajewo. Der Südtiroler Künstler begibt sich auf die Spuren des Ersten Weltkriegs in Bosnien, gerät dabei in die Antiregierungsproteste vom Februar 2014 und notiert die Ereignisse in einem Tagebuch.

Haimo Perkmann

Kulturelemente_Nr. 115

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