In der Antike wurde die Ordnung als gegeben, im Mittelalter und der Frühen Neuzeit als von Gott geschaffen begriffen. Erst im Zuge der Aufklärung rückt der Mensch nach und wird zum Wahrer der Ordnung. Die schweren, dunklen Bände der Enzyklopädie mit den in Gold gefassten Buchstaben des Alphabets waren im 20. Jahrhundert Symbole der Werte und Vorstellungen in den bürgerlichen Wohnzimmern. Heute sind es die unendlichen Text- und Bildmengen auf den weltweit verteilten Server-Farmen zum Auffinden und Abrufen. Diese digital-reale Weltordnung ist äußerst instabil: Die sozialen Konflikte von arm und reich, die ökologischen Konflikte und sozio-politischen Zerreißproben, Hunger, Massenwanderungen, Terror usw. lassen uns immer häufiger von Krise und Ausnahmezustand sprechen. Doch der permanente Ausnahmezustand verdrängt das demokratische Verständnis durch immer höhere Ansprüche an die Justiz, und der Rechtsstaat ersetzt sukzessive die spontane Solidarität im tradierten Gemeinwesen. Ist es möglich, Ordnung in das Chaos zu bringen, ist dies überhaupt notwendig?
„Wo aber die Gefahr ist, wächst das Rettende auch!“, meint Hölderlin. Können wir wirklich auf diese romantische Vorstellung vertrauen und uns in der ichverlorenen Ergründung unserer Seelenzustände verlieren? Ist das konfliktreiche Aufeinandertreffen unterschiedlicher Milieus und Lebensstile nicht vielmehr eine Bedingung für Kultur, Literatur und Kunst?
Eine Konstante im Südtiroler Kulturbetrieb ist seit 70 Jahren der Südtiroler Künstlerbund, in Zusammenarbeit mit dessen Dokumentationsstelle für Neuere Südtiroler Literatur ist die vorliegende Kulturelemente entstanden. Sie präsentiert – neben philosophischen, bibliothekarischen und kulturwissenschaftlichen Ansätzen zum Ordnungs–Unordnungsdiskurs – das digitalisierte Literaturarchiv Südtirol, mithin einen Abriss über die Literatur der letzten 70 Jahre in Südtirol, neue Gedichte, Interviews und Rezensionen.
Hannes Egger / Haimo Perkmann