#157: Allegra!

Allegra!*

Die Graubündner Talschaften Val Müstair und Unterengadin in der Schweiz grenzen an den Südtiroler Bezirk Vinschgau. Die wirtschaftlichen und sozialen Beziehungen zwischen den beiden Alpenregionen sind traditionell eng; hier wie dort finden sich – wenngleich in unterschiedlicher Zusammensetzung – dieselben Sprachgruppen: deutsch, italienisch und rätoromanisch/ladinisch.

In den letzten Jahren erfuhr das Unterengadin eine erhöhte internationale Aufmerksamkeit: Vor allem Architekt*innen begannen, sich für das Engadinerhaus und die behutsamen Sanierungen im Rahmen der Landschaftsplanung zu interessieren. Hier wurde auf den Erhalt der malerischen Dorfkerne geachtet, so konnten sich die Unterengadiner Dörfer ihr ursprüngliches Erscheinungsbild zu einem Gutteil bewahren.

Lange Zeit hinkte dieser Teil des Tals dem Glanz von St. Moritz im Oberengadin hinterher. Zum Sehnsuchtsort für die zeitgenössische Kunst wurde es erst mit der Eröffnung der Fundaziun Nairs und der zehn Jahre später folgenden Übernahme von Schloss Tarasp durch den aus Sent stammenden und in den USA erfolgreichen Künstler Not Vital. In den Gemäuern aus dem 12. Jh. stellt er seine eigenen, aber auch andere Arbeiten zeitgenössischer Kunstschaffender aus.

Zum endgültigen Durchbruch der Region als Kunststandort führte jedoch die Sammlung der polnischen Mäzenin Grayna Kulczyk in Susch, wo sie ein Kloster und drei Engadinerhäuser zu einem begehrten Museum ausbauen ließ. Wo einst Bier gelagert wurde, können heute erstklassige Arbeiten zeitgenössischer Künstler*innen bestaunt werden. Seither pilgert das kunstaffine Bildungsbürgertum aus ganz Europa über die malerischen Bergpässe ins Muzeum Susch. Auch Kulturelemente unternahm einen kulturgeschichtlichen Ausflug über den Ofenpass und durch die Uina-Schlucht, erkundete die nahe, aber doch ferne Gegend, und wurde dabei mit einem eigentümlich anmutenden „Allegra!“ begrüßt.

Hannes Egger / Haimo Perkmann

*Allegra ist ein rätoromanischer Gruß unter sozial gleichgestellten Personen, der von Vormittag bis in den späten Nachmittag hinein gebräuchlich ist. Zu übersetzen ist der Gruß mit „Freue (dich)!“ und ist eine übrig gebliebene Kurzformel des ursprünglichen „Cha Dieu ans allegra!“ (Deutsch: Möge Gott uns erfreuen!).

Download:

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s