Ausgangspunkt einer fundierten Analyse des Pornographischen kann nicht die moralische Frage sein, ob es Pornographie geben solle. Sie existiert und ist ein massenmediales Phänomen. Zugleich löst Pornographie quer durch alle Denkschulen heftigen Widerspruch und auf konservativer Seite sexuelle Ängste und Moralpaniken aus. Nicht wenige Wissenschaftler_innen sehen in der Pornographie heute durchaus Potential zur gesellschaftlichen Entwicklung, indem diese den sexuellen Wandel reflektiert – wie ein Spiegel, der uns die faktische Kraft der Begierden, mithin sämtliche Devianzen vom sexuellen Kanon vor Augen hält – und ihn zugleich vorantreibt. Beispielsweise durch die zunehmende Entthronung der Heterosexualität, die vor dem Hintergrund der als legitim wahrgenommenen sexuellen Vielfalt nur noch als eine sexuelle Optionen unteren anderen erscheint. Auch dies rüttelt an einem alten Haus mit tiefen Fundamenten und löst eine diffuse Panik aus. Ein direkter Einfluss der Pornographie auf die zeitgenössische sexuelle Praxis ist jedoch umstritten und schwer belegbar. Was hingegen belegbar scheint, ist ein direkter Einfluss von mangelndem Wissen über Sexualität auf die sexuelle Praxis. Vermittelt Pornografie aber sexuelles Wissen? Oder werden nur Stereotype produziert, die als Pornonormativität wiederum Einfluss auf das sexuelle Verhalten der nächsten Generation ausüben? Die vorliegende Ausgabe der Kulturelemente hat versucht, sich diesen Fragen nicht nur deskriptiv, sondern auch philosophisch, literarisch und künstlerisch zu nähern. Gerade letzterem Bereich widmet Kulturelemente 132 relativ viel Raum, da Pornographie immer ästhetisch ist und nicht ohne Zuschauerinnen und Zuschauer auskommt. Genieren Sie sich nicht und schauen Sie, was Kunstschaffende, Forscher- und Autor_innen zur Pornographie zu sagen haben.
Hannes Egger / Haimo Perkmann